Literarisches / GästeFür Zugestiegene: Startseite 
[Absurdistan - Der Wochenrückblick] [Zeit für ein Gedicht?] [LiteraturWettbewerbe] [Veranstaltungen] [LiteraturChat] [Buchwelt] [Allerlei & Tipps]


 Alle Gast-Autoren

 zurück zur Auswahl dieses Künstlers

 HITLISTE - Stimm mit!

zurück zu: Gäste
Werbung:
Dein persönliches Auftragsgedicht:
- Geburtstag
- Hochzeit
- Pensionierung
- Liebesbeweis
- und vieles mehr

>> informiere Dich >>
Jürgen Heimlich

Mondmännchenliebe

Er blickt auf die Uhr. Es hämmert in seinem Kopf.
Die Eindrücke der vergangenen Nacht verwischen sich.
Er sieht sie vor sich. Das Mädchen. Mit blonden Haaren.
Was für eine Pracht!

Er starrt auf sein Handy. Er starrt auf den ausgeschalteten Fernseher.
Die Liebe hat ihn erwischt.
Nach langen Jahren der Einsamkeit ist er nicht mehr ausgeschlossen von dieser Himmelsmacht. Und sie hat ihn befreit. Es wird eine gemeinsame Zukunft geben.

Sie liegt ganz still da, und wartet. Er hat versprochen, anzurufen. Viele haben nach einer gemeinsamen Nacht versprochen anzurufen. Selten hat es einer getan. Aber diesmal spürt sie, dass es der richtige Mann ist.

Es hat ihr imponiert, dass er sich nicht verstellt hat. Seine Unsicherheit fand sie niedlich. Er hat ihr eine Rose geschenkt. Was konnte sie mehr von einem achtzehnjährigen Burschen erwarten? Sie fühlte sich im siebten Himmel, als er sie küsste. Es war nicht wichtig, dass er ungeschickt war.

Er spielt auf seinem Handy herum. Sein Ziel ist es, die Mondmännchen abzuschießen. Darin hat er Übung. Einen neuen Rekord will er erzielen: Über 2.774 Punkte müssen drin sein. Noch bevor der Mond aufgeht. Wie von einer fremden Macht angetrieben betätigt er die Tasten.

Er wird das Mädchen anrufen. Er wird sein Versprechen wahr machen, und ihr sagen, dass er sich in sie verliebt hat.

"Hörī mal, Töchterchen, könntest du den Müll raustragen?" Sie stellt sich taub, aber nach wiederholter Aufforderung packt sie die drei Mülltüten und begibt sich an die frische Luft. Der Mond ist noch nicht aufgegangen. Sie hatte ihn beobachtet, wie er ständig mit seinem Handy spielte. Stundenlang beschäftigt er sich mit imaginären Welten, die auf einem winzigen Display erscheinen.

Als sie sich auszog, blickte er anfangs gar nicht von seinem Handy auf. Es dauerte eine Zeit lang, bis er kapierte, was da abging. Und dann hat er sein Handy auf lautlos gestellt, und sich ebenfalls ausgezogen. Gleich nach dem Sex hat er sein Handy wieder zur Hand genommen, und nur kurze Zeit später rief auch noch ein Freund an.

Er hat Probleme mit Mädchen. Sie verstehen ihn nicht. Bei ihr ist das anders. Sie hat ihm so verliebt in die Augen gesehen! Ist wirklich er gemeint? Er, der kaum den Mund aufbringt, wenn ihn ein Mädchen anspricht?

Tatsächlich haben sie kaum miteinander gesprochen, sondern schnell miteinander geschlafen.

Die Mondmännchen schoß er er in dieser Nacht ein paar Minuten später ab als sonst: 2.802 Punkte hat er jetzt erreicht. Und hämmert weiter in die Tasten. Sie hat ihm die Kraft gegeben, über sich hinauszuwachsen. Den Rekord ständig zu verbessern.

Sie wartet schon zu lange. Da verwechselt sie die Mülltüten mit dem Handy. Er wird sie bald anrufen, und ihr Handy ist irgendwo in der Mülltonne gelandet. Sie ist auf sich selbst wütend, weil sie so sehr in Gedanken vertieft war, dass ihr diese Scheiße passiert ist. Sofort klettert sie mutig in die Mülltonne, und beginnt, im Mist nach dem Handy zu suchen. Irgendwo in diesem schrecklich stinkenden Unrat muss doch das Handy stecken.

Er blickt auf die Uhr. Sein Herz droht aus seinem Körper zu springen.
Er hält das Handy in der Hand, und sieht den Rekord aufleuchten: 3.009 Punkte.
Er hätte nie gedacht, dass er mal über 3.000 Punkte erreichen wird. Das macht ihn mutig.
Der Mond ist aufgegangen.
Er lächelt in sich hinein.
Heute wird die Nacht der Nächte wiederholt.

Plötzlich hört sie die Melodie. Mühsam stochert sie im Mist, und alles an ihr stinkt und sie ist furchtbar verdreckt. Es tönt immer lauter in der Mülltonne, in der sie seit einer Viertelstunde nach dem Handy sucht. Verdammt nochmal!

Und da stößt sie einen Jubelschrei aus: Sie hat das Handy gefunden, und hält es nach Atem ringend in der Hand. Und sieht seinen Namen aufleuchten. Ihr Herz hämmert.

"Hallo?"
Er sagt nichts.
"Warum rufst du erst so spät an?"
Es dauert eine Weile, bis er flüstert: "Mondscheintarif."

Falls er Dir gefallen hat, dann stimm' für diesen Beitrag

zurück

Werbung:


Mitarbeit...
Du willst diese Online-Zeitung mitgestalten? Schick mir Deine Gedichte, Kurzgeschichten, CD-Kritiken, Buchbesprechungen - oder vielleicht ganz was Neues? Erlaubt ist, was Spaß macht und keinen kränkt oder geschmacklos ist.

Schreib', was Dich bewegt: leitner@wiend.at


http://www.wiend.at
E-Mail:leitner@wiend.at