Irgendwo in der Steiermark lag und liegt heute noch eine
Tropfsteinhöhle.
Vor gar nicht so langer Zeit lebten tief im Wald eine kleine Schar
von Zwergen. Sie lebten glücklich und friedlich miteinander.
Sie stritten zwar auch manchmal, aber das war bald wieder
vergessen und zur Versöhnung wurde immer ein Glas
Himmbeerlikör getrunken.
An einem wunderschönen Frühlingstag bakam eine Zwergenfrau
ein Baby. Es war ein Junge. Er war schon bei der Geburt größer
als andere Zwergenbabys und wurde deshalb Lulatsch genannt.
Lulatsch wuchs heran und wurde immer größer und größer.
Das hatte viele Vorteile, aber auch Nachteile. Z. B. verlor er
immer beim Versteckenspielen, da er sofort entdeckt wurde.
Von Vorteil war seine Größe beim Pflücken von Beeren, da weiter
oben die süßeren und besseren Beeren waren.
Lulatsch war aber auch oft traurig. Aufgrund seiner Größe
konnte er sich nicht auf den Schoß seiner Mutter setzen, sondern
nur seinen Kopf darauf legen.
Oft fragte er seine Mutter: "Mama, warum bin ich so groß? Warum
bin ich nicht so klein wie die anderen?"
Seine Mutter versuchte, ihn zu trösten: "Du kannst dafür Dinge,
die andere nicht können. Du kannst jetzt schon den Erwachsenen
viel helfen."
"Ja, Mama,aber ich würde viel lieber mit den anderen
versteckenspielen können."
Die Zwergenmutter strich ihrem Jungen über den Kopf.
Eines Tages kamen Menschen in die Nähe der Zwergensiedlung.
Das war sehr ungewöhnlich, da die Zergensiedlung sehr, sehr tief
im Wald lag.
Es war eine größere Gruppe mit einigen Erwachsenen und ein
paar Kindern.
Lulatsch fragte seine Mutter: "Machen alle Menschen so einen
Lärm, Mama?"
"Nein, es sind nicht alle so laut. Es kommen auch viele Menschen
in den Wald, die Ruhe und Erholung suchen, und manche
kommen auch, um die Tiere zu beobachten, aber diese Horde ist
anscheinend hierhergekommen um sich auszutoben."
"Hoffentlich sind die bald weg."
Lulatsch störte der Lärm sehr. Die Zwergenkinder machten zwar
auch öfter Lärm, aber sie waren nie so laut wie diese
Menschenkinder.
Lulatsch war froh, als die Menschen sich wieder vom Dorf entfernt
hatten.
Aber irgendwer war doch noch da?
'Komisch!' dachte sich Lulatsch. 'Haben die jemanden vergessen?'
Seine Mutter hatte das auch gehört, und ging in den Garten um
nach zu sehen, was da los war.
Sie rief ihrem Sohn zu: "Lulatsch, komm bitte heraus!"
Er ging in den Garten. Auch andere Zwerge hatten dieses
komische Geräusch gehört und kamen aus ihren Häusern.
Sie versammelten sich auf dem Dorfplatz: "Die Menschen haben
offensichtlich ein Kind vergessen. Was sollen wir jetzt tun?"
Ein Zwerg sagte: "Wir müssen die Eltern suchen und
zurückholen." "Und wie willst du das machen? Die Erwachsenen
könnnen uns doch nicht sehen." warf ein anderer Zwerg ein.
"Aber das Kind kann uns sehen," sagte Lulatsch's Vater. Er hatte
auch gleich eine Idee. "Einer geht zum Kind und beruhigt es, und
die anderen finden heraus, wo die anderen Menschen
hingegangen sind."
Ein Vögelchen setzte sich auf Lulatsch's Schulter und
zwitscherte: "Das können doch wir Vögel machen. Für uns ist es
einfacher als für euch."
"Da hast du recht, jetzt muß sich nur noch einer mit dem Kind
beschäftigen und es in die richtige Richtung führen."
Man sah allen Zwergen an, daß sie diese Aufgabe nicht so recht
übernehmen wollten.
Lulatsch dachte: 'Das ist meine Chance! Hier ist meine Größe
sicher von Vorteil. Lulatsch hob die Hand und sagte: "Ich werde
zu diesem Kind gehen."
Die anderen waren erleichtert, dass sich Lulatsch freiwillig
gemeldet hatte.
Das Vögelchen kam zurück und zwitscherte: "Wir wissen jetzt,
wo die anderen sind, aber sie haben noch nicht bemerkt, daß
ihnen ein Kind fehlt."
"Danke Vögelchen. Lulatsch wird jetzt zu dem Kind gehen , und
ihr zeigt ihm bitte den Weg zu den Erwachsenen." sagte Lulatsch's
Vater. Lulatsch's Mutter gab ihrem Jungen einen Kuß auf die
Wange und sagte: "Paß gut auf dich auf mein Junge."
Lulatsch ging zum Menschenkind, und als dieses Lulatsch sah,
hörte es auf zu weinen und sah den Zwerg ganz verdutzt an. Als
der erste Schreck vorüber war, wollte es Lulatsch anfassen, aber
er trat schnell ein paar Schritte zurück.
"Nicht anfassen!"
Das Kind blieb stehen. "Wer bist du?" fragte es verblüfft.
"Ich bin Lulatsch. Ein etwas zu groß geratener Zwerg, und ich
werde dich mit Hilfe der Vögel zurück zu deinen Eltern bringen.
Und wer bist du?"
"Ich bin Thomas und bin schon fünf."
"Na dann komm Thomas, gehen wir zu deinen Eltern."
Die Vögel zeigten Lulatsch den Weg. Inzwischen hatten auch die
Menschen bemerkt, daß ihnen ein Kind fehlte. Sie riefen:
"Thomas, Thomas wo bist du? Melde dich!"
Lulatsch sagte zu Thomas: "Hörst du das, deine Eltern und die
anderen können nicht mehr weit sein. Ruf ihnen zu, hier bin ich."
Thomas rief so laut er konnte: "Hier bin ich, Mama!"
Lulatsch verabschiedete sich von Thomas. "Ich hau jetzt ab, denn
Erwachse können uns Zwerge nicht sehen, sonst treten sie mich
noch zusammen."
Thomas drehte sich um und winkte dem Zwerg zum Abschied zu.
Dann begann er zu laufen, um so schnell wie möglich wieder bei
seinen Eltern zu sein. Diese waren sehr glücklich, ihr Kind wieder
in die Arme schließen zu können.
Nachdem Lulatsch die anderen Zwerge wieder erreicht hatte,
gingen alle zurück ins Dorf.
Lulatsch's Vater klopfte seinem Jungen auf die Schulter: "Ich bin
sehr stolz auf dich. Von uns hätte niemand so viel Mut gehabt."
Am Abend war Lulatsch sehr müde. Bevor er einschlief dachte er.
'Es ist nicht immer ein Nachteil, so groß zu sein.'
von Michaela Eibisberger
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