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Melanie
von Reinhard

Eigentlich konnte ich es mir nie vorstellen. Gut, man hatte eine Menge Freunde und war auch mit etlichen Frauen freundschaftlich verbunden. Aber trotzdem, das war's nicht ganz. Und doch. Es mußte einen Weg geben. Jeder will einmal seine Grenzen ausloten. Was hat man von verständnisvollen Worten, von - zugegeben - erfüllenden Abenden in diversen Lokalen? Viel. Aber es fehlt trotzdem etwas.
Und eines Abends geschah es doch. Ich war wieder einmal fort. Nicht alleine, sondern gemeinsam mit Melanie. Auf ein gepflegtes Bier. Wir plauderten über dieses und jenes, über Gott und die Welt, wie man so sagt. Schließlich kamen wir doch einmal auf das Thema aller Themen: Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Für viele schon abgedroschen, zur täglichen Routine mutiert, stellte für mich ein intimes Beisammensein, das erforschen des anderen Körpers, die Liebkosung desselben und was eben noch so passieren konnte, ein bis jetzt unerreichbares Ziel dar. Ich erklärte Melanie auch warum und sah ihr dabei tief in die Augen. Konnte ich ihr vertrauen? Lachte sie mich aus? Nein. Aber nahm sie mich wirklich ernst? Konnte sie das? Ich wußte es nicht.
"Was glaubst Du, wer sich für mich schon näher interessieren könnte? Schau mich an. Verkrüppelte Füße, überall Narben von den zahlreichen Operationen, gut das siehst Du jetzt nicht. Ich mach mich zu den unpassendsten Gelegenheiten an und kann eigentlich nichts dagegen tun. Wer will da schon?" Ich hatte bei meiner Geburt ein klitzekleines Loch im Rückenmark, welches zur Folge hatte, daß einige Nervenstränge beschädigt wurden, die unter anderem zur Steuerung der unteren Gliedmaßen zuständig waren. Auch treten durch dieses 'Gebrechen' eben Dinge wie Inkontinenz, gegen die ich Windeln trug und überhaupt ein eingeschränktes Gefühl in dieser Region auf. Was mich natürlich nicht daran hinderte, trotzdem ein sexuelles Gefühl zu entwickeln. Auch ich werde bei einer schönen, nackten Frau erregt. Auch ich sehne mich nach intimen Zärtlichkeiten. Denn Gedanken sind frei.
"Jetzt tu doch nicht so. Sicher kann man Dich auch lieben so wie Du bist. Du mußt nur ein wenig warten. Die Richtige kommt schon noch. Auf jeden Topf paßt ein Deckel."
Jaja, diesen Satz hatte ich schon öfters gehört. Wir kamen dann wieder von diesem Thema ab und sprachen über dieses und jenes. Die Atomtests, Mochovce, die allgemeine Umweltverschmutzung, den Weltfrieden und so weiter. Die üblichen Plaudereien eben. Schließlich schaute ich auf meine Armbanduhr und sie zeigte mir 10 Uhr 30.
"Zahlen wir?" fragte ich, "Eigentlich sollten wir morgen wieder arbeiten."
"Ja, gut."

Wir waren auf die Straße hinausgetreten und Melanie fragte mich: "Du, ich wohne ja gleich um die Ecke. Kommst Du noch auf einen Sprung zu mir rauf?"
"Willst mir wohl Deine Briefmarkensammlung zeigen", versuchte ich witzig zu sein.
"Nein, meine Orchideen. Sei nicht albern. Hab' nur keine Lust alleine zu sein und schon schlafen zu gehen."
Da mußte ich ihr zustimmen. Nach dem stand mir auch nicht der Sinn. Wir gingen die Straße entlang, bogen einmal links ab und waren auch schon da. Sie schloß die Haustür auf, und ging voraus zum Lift. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, daß sie wirklich hübsch war. Als ich sie so betrachtete, fiel mir wieder einmal auf wie ihr langes, braunes Haar wie Seide über ihren Rücken floß. Ihre Figur war nicht zu verachten. Stop. Bloß nicht solche Gedanken.
Wir stiegen beide in den Lift ein und fuhren hinauf in den 4. Stock, dort angelangt öffnete sie die Wohnungstür und schloß sie hinter mir gleich wieder ab.
Nachdem sie mir ein Bier angeboten hatte und auch sich selbt eins genommen hatte, setzten wir uns auf die Couch im Wohnzimmer um noch ein wenig zu quatschen. Legte sie dabei zufällig ihre rechte Hand um meine Schulter? Schließlich kannten wir uns ja gut. Nur als sie dann meinen Hals mit ihren Lippen zu liebkosen anfing, da wurde mir anders. Nicht das es mir unangenehm war, im Gegenteil.
Ich befreite mich aus ihrer sanften Umklammerung, nahm meine Tasche, in der sich die Windel für den Notfall befand und sagte: "Ich muß schnell wo hin."
Nachdem ich mich am WC neu gewickelt hatte und auch meine Gedanken wieder gerade gebogen hatte, ging ich wieder ins Wohnzimmer. Sie saß noch immer da.
Melanie meinte: "Setz Dich doch wieder her, oder gefällt es Dir nicht?"
Dieses Argument überzeugte mich und ich nahm wieder Platz.

"Nach dem hast Du Dich doch schon immer gesehnt. Gib es doch zu", flüsterte sie mir ins Ohr. "Laß Dich doch einmal fallen, wirf Deine Bedenken über Bord und genieß die Situation."
"I'm ready to love you, I'm ready to hold you", schnulzte Brian Adams gerade aus den Radioboxen. Er hatte nicht unrecht. Bloß, daß Melanie die aktive Rolle spielte und mir gefiel es. Zuerst umarmte sie mich leicht und ihr Mund versiegelte den meinen, so daß mir jeder Widerstand genommen war.
Noch nie hatte ich so etwas erlebt. Unsere Zungen liebkosten sich, während sie mich sanft zwang aufzustehen und wir uns vorsichtig dem Badezimmer näherten. Scheinbar war es ihr egal, daß wir dabei einen Stuhl und einen Blumentopf umstießen. Im Bad angelangt, begann sie mich zu entkleiden. Ich tat es ihr nach und entledigte sie ihrer Bluse, öffnete den Rock, der raschelnd zu Boden glitt. Ein bißchen holprig stieg ich aus den mir nach unten geglittenen Jeans. Dann schämte ich mich doch ein wenig. Denn sie stand da vor mir. Fast nackt, ihre sanften Rundungen nur mehr durch einen durchscheinenden BH gebändigt und ihr Höschen ließ das magische Dreieck durchschimmern. Ich dagegen mußte das Gegenteil aller erotischen Frauenträume darstellen. Nach innen verdrehte Beine, etliche Narben von zahlreichen Operationen und Höschenwindeln, die durch meine Unterhose nicht mehr ganz verborgen werden konnten. Doch ihr schien das nichts auszumachen.
Denn sie zog mir wie selbstverständlich mein vorletztes Kleidungsstück hinunter und meinte: "Du bist schön, Du weißt es nur noch nicht."
"Du aber noch viel mehr. Wie habe ich das nur verdient."
"Ich will Dich einfach. Märchenprinzen gibt es schon genug."
Ich öffnete ihren BH, der ebenfalls raschelnd zu Boden fiel und betrachtete ihre Brüste. So zart, so fein. Ich liebkoste sie mit meinen Händen, während sie die Verschlüsse meiner Windel öffnete. Konnte ich mir das jemals als eine erotische Handlung vorstellen? Sie zog sie mir hinunter ließ sie diskret in einem Mülleimer verschwinden. Den hatte ich vorher aber noch nicht dort gesehen? Dann zog ich ihr das letzte Höschen aus und sie mich unter die Dusche.
Das Wasser prasselte auf uns hinunter, benetzte unsere nackte Haut. Wir seiften uns gegenseitig ein und berührten uns dabei überall. Derartig gereinigt entstiegen wir der Dusche und trockneten uns gegenseitig ab. Dann führte sie mich in ihr Schlafzimmer. Die Bettdecke war schon aufgeschlagen. Ich legte mich rücklings aufs Bett und sie setzte sich neben mich hin. Ich sah sie an und konnte immer nur denken, wie schön sie doch war. Ihre Brüste, ihr beinahe flacher Bauch, die ihrer Meinung nach etwas zu üppig geratenen Schenkel, zwischen den mir ihr süßes Geheimnis ganz ungeniert offenbart wurde. Ich konnte nicht anders und streichelte sie dort, während ihre Finger zeigten, was sanfte Berührungen in meiner Leibesmitte bewirken konnten. Wie zufällig hatte sie plötzlich ein Kondom in der anderen Hand, welches schnell aus seiner Verpackung befreit, meinem kleinen Freund übergezogen wurde. Dann fuhr sie in ihren Liebkosungen fort, kniete sich mit gespreizten Beinen über mich und zeigte mit ihren Händen den richtigen Weg, während ich fortfuhr, ihre Brüste zu streicheln.
Konnte man etwas Schöneres erleben? Sanfte Bewegungen ihrerseits machten mir meine eigene körperliche Eingeschränktheit vergessen und als es vorbei war, da überfiel mich keine Traurigkeit, sondern ein ungemeines Glücksgefühl, welches ich ewig festhalten wollte. Danach legte sie sich neben mich und unsere gegenseitigen Berührungen waren jetzt nicht mehr forsch und ungestüm, sondern sachte und bedächtig. Ich wollte ewig so neben ihr liegen.
Doch ich mußte mir wieder diese blöden Windeln anziehen, weil sonst konnte ja doch noch etwas Ungeplantes passieren.

Plötzlich schreckte ich auf. Mein wieder klarer werdenden Blick zeigte mir die Tastatur, einen Bildschirm und zahlreiches Krimskrams. Ich befand mich in meiner Wohnung. Ich speicherte die gerade verfaßte Datei ab, indem ich ihr den Namen Melanie gab, schloß alle anderen Programme und schaltete den Computer aus.
Schnell rein in die orthopädischen Schuhe und weg. Ich war spät dran. Hatte ganz die Zeit vergessen. Melanie würde schon im Lokal auf mich warten. Wir waren für heute Abend verabredet.

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