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Kristin Raphaela Otti

Großstadtreigen

Lundgren kaufte sich einen Revolver. Er ging ganz einfach in das kleine Geschäft an der Ecke Kreutzgasse-Tegnerstraße und erwarb einen Revolver Kaliber Elefantentod. Nicht, daß er hätte erklären können, warum er gerade in diesen Laden gegangen war oder weshalb er überhaupt eine Pistole erstanden hatte, aber er bezahlte bar und ergatterte auch noch einen Gutschein für freies Probetraining in einem der unzähligen Schützenvereine, dessen Name versprach, daß auf alles geschossen werden würde, was sich unter Umständen bewegen könnte. Er war auch nicht gewalttätig, im Gegenteil: nachdem er den in Papier gehüllten Revolver in der geräumigen Jackentasche verstaut hatte, half er einer alten Dame, die hilflos am Rande einer stark befahrenen Straße stand, ohne mit der Wimper zu zucken über dieselbe und setzte seinen Weg gen das düstere Gebäude der Handelsbank fort. Aus heiterem Himmel schlug es ihn, daß es gefährlich sein könnte, eine Schußwaffe bei sich zu haben. Man könnte sich ja weh tun! Lundgren war also nicht gewalttätig und auch nicht blind für seine Mitmenschen, aber er war wohl etwas wehleidig. Deshalb hatte ihn wahrscheinlich auch seine geliebte Frau verlassen. Sie hatte ihm einfach den Rücken gekehrt und war mit diesem italienischen Gigolo nach Venedig abgedampft. Um 13 Uhr 21 hatte sie die Tür ins Schloß geworfen und war verschwunden. Er liebte seinen Digitalwecker. Oder was von ihm nach dem mißglückten Wurf an die Wand übriggeblieben war.
Wie dem auch sei, Lundgren stand neben einem der knallgelben, städtischen Mistkübel und starrte auf das unförmige Paket, das er nach kurzem Überlegen aus der Tasche seiner Lederweste gerissen hatte, und versuchte den aufkeimenden Ekel zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht. Verwirrt betrachtete er den dunklen Eingang des Geldinstituts und zweifelte an seinem Verstand. Wie hatte er nur diese Mordwaffe anschaffen können? Was für eine Dummheit! Er hätte sich tatsächlich aus Versehen selbst erschießen können! Welche Ironie! In einer so gewalttätigen Stadt wie dieser seinen eigenen Abgang selbst zu inszenieren und auch noch mit dem allereigenen Revolver! Diesen Gefallen würde er seiner Umwelt nicht tun. Lundgren warf das tödliche Paket in den Mülleimer und setzte seinen Weg kopfschüttelnd fort. Zu leben war schon gefährlich genug, spannender brauchte er es nicht mehr zu machen. Man stelle sich vor, er hätte sich mit einer Pistole aus dem Sommerschlußverkauf beinahe selbst erschossen.

Hermansson starrte dem seltsamen, in eine abgewetzte Lederjacke gekleideten Möchtegernbankräuber nach. Es wurde immer schlimmer. Was sich nun schon alles auf der Straße herumtrieb! Dieser fahlhaarige Macho schlug dem Faß den Boden aus! Kopfschüttelnd schob Hermansson, der in einem früheren Leben Bankdirektor gewesen war, seinen verrosteten Einkaufswagen, in dem sich leere Bierdosen mit den Teilen einer Schaufensterpuppe - natürlich weiblichen Geschlechts, er wollte ja nicht, daß die Leute ihn schief ansahen - mischten, in Richtung Überraschungseimer und angelte sich, nachdem er sich fluchend den halben Hamburger, in den er versehentlich gegriffen hatte, von den Resten seines Firmungsanzuges, dem einzigen Kleidungsstück, das Hertha im gelassen hatte, gewischt hatte, das in Packpapier eingewickelte Geschenk des Ich-bin-ja-so-reich-und-schön-Idioten. Er warf es achtlos in seinen Einkaufswagen und marschierte murrend und schimpfend in Richtung Drei-Sterne-Mission weiter. Der Fraß dort war grauenhaft. Aber hatte man als abgebrannter Müllionär denn eine Wahl?

Pascal sah den abgerissenen Sandler schon von weitem. Sah? Er roch ihn wohl eher. Der ohnehin siedendheiße Zorn, der in ihm schon seit der verfluchten Mathestunde dahinschwelte, kochte nun über. Ohne darüber nachzudenken, zog er sein Messer und fixierte den einkaufswagenschiebenden Obdachlosen. Obdachlos würde er nicht mehr lange sein. Pascal begann zu kichern.

"Gib schon her! Vielleicht lasse ich dich ja sogar am Leben, du verwöhntes Muttersöhnchen!" Pascal krümmte sich auf dem eiskalten Asphalt zusammen und versuchte sich so gut es ging gegen die Tritte der drei Totschläger zu wehren. Aber es ging nicht so gut. "Der Arsch hat den alten Hermi kalt gemacht!" "Hermi?!" "Dafür bringen wir dich um, du Bastard!" "Er hat ihn einfach abgestochen und gelacht wie ein Irrer!" "Ein irres Schwein also? Um den ist es ja eh nicht schade!" Er spürte, daß irgend etwas in ihm zerbrach, als einer der drei Brutalos gegen seinen Kopf trat. Dann war da nichts mehr außer Schwärze.

Ulrich fühlte sich stark. Dieser miesen Kröte hatten sie es gezeigt und Hermi gerächt. Aber das war eigentlich Nebensache. Der Revolver, den er in seine Hose gesteckt hatte, fühlte sich einfach großartig an, und das nicht allzukleine Taschengeld, das der Kampf mit dem verweichlichten Idioten eingebracht hatte, würde für einen neuen CD-Player reichen. Er begann vergnügt zu pfeifen. Daß er unmusikalisch war und sein Gepfeife wie das Krächzen einer asthmatischen Krähe klang, störte ihn nicht besonders. Und sollte es jemanden stören, nun, dann würde ihm der Revolver etwas pfeifen.

"Was denkst du dir eigentlich dabei? Ein Revolver?" Die Ohrfeige, die auf diese Worte folgte, brannte sogar noch schlimmer als die ersten beiden. Sein Stiefvater war wieder einmal in Einbläulaune. "Wenn ich heute von meinem Job zurückkomme, werden wir uns noch einmal eingehender darüber unterhalten!". Ruthmeier packte den Revolver und verließ wütend die Wohnung.
Morgen würde er wohl nicht zur Schule gehen können. Ulrich schlug mit beiden Fäusten gegen die Wand. Das wütende Gekeife der alten Schachtel von nebenan ignorierte er. Irgendwann würde sie an ihrem Herumgebelle ersticken. Dafür würde er sorgen.

Ruthmeier machte sich nicht die Mühe leise zu sein. Der Revolver gab ihm die nötige Sicherheit. Er hielt das Haus, in das er nun eingestiegen war, schon seit gut einer Woche in ständiger Beobachtung. Hier dürfte einiges zu holen sein. Er begann vergnügt zu grinsen und, nachdem er sich und seinen Bierbauch durch das Fenster gequetscht hatte, stimmte er eine Arie aus Aida an.

Diese verfluchte Nachbarskatze! Lundgren stürzte, nachdem er sich ungeschickt in seinem eigenen Bettlaken verfangen hatte aus dem Bett und schlug sich seinen wertvollen Kopf an. Diesmal würde er das Vieh erschlagen.
Er schnappte sich einen seiner geliebten Golfschläger und stürmte in Richtung Küche, aus der diese gequälten Laute kamen, davon.
Er traute seinen Augen nicht. Ein Einbrecher von der Statur eines bayrischen Kampftrinkers durchwühlte seine Schmutzwäsche und sang dabei. Nun ja, sang? Er quietschte. Das traf es wohl eher.
"Entschludigen Sie, was machen Sie denn da?" Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß das wohl nicht die passendste Eröffnungsreplik in einem Gespräch mit einem arienschmetternden Einbrecher war, aber er mußte wissen, was dieses Gequieke sollte.

Ruthmeier drehte sich betont gelangweilt herum und musterte den schreckensbleichen, verschlafen wirkenden Mann von oben bis unten. Der Mann hatte wohl noch nie etwas von frischen Unterhosen gehört und kannte Rasierer wahrscheinlich nur vom Hörensagen. "Ich bin dabei hier einzubrechen und mir einige Dinge einzupacken. Ich würde Ihnen empfehlen, mich nicht weiter zu belästigen." Der bleiche Mann blinzelte verstört und hob zögernd den Golfschläger, den er krampfhaft umklammert hielt.
Herbert Alois Wilfried Ruthmeier, der mit Mädchennamen Putzi geheißen hatte, zog seufzend den Revolver, den er seinem unfähigen Stiefsohn abgenommen hatte, und richtete ihn auf den haarigen Siebenschläfer. "Wollen Sie, daß ich Ihnen noch mehr Argumente für einen Rückzug Ihrerseits liefere?"

Lundgren erstarrte als er den Revolver sah. Und wiedererkannte. Immerhin war es ein Sondermodell gewesen. Und immerhin hing auch das vermaledeite Preisschild mit dem Sonderpreis immer noch am Abzug. Irgend etwas war dabei schief zu gehen. Lundgren begann brüllend zu lachen. Und warf in einer unbeabsichtigten Bewegung seinen Lieblingsputter in Richtung nächtlichen Besucher.

Erling klammerte sich bibbernd an ihre Katze. Es wurde in dieser Nachbarschaft immer schlimmer. Zuerst gab es da jemanden, der wie ein Irrer darauf loslachte, und dann gab es jemanden, der diesem Lachen mit einer Pistole ein Ende setzte. Es war immer dasselbe.

"Kannst du dir den Tathergang erklären?" "Nun, ich nehme an der Hausbesitzer ist mit dem Golfschläger... Das da im Kopf des Einbrechers ist doch ein Golfschläger?" "Japp!" "Also er ist mit dem Golfschläger auf den Fensterkletterer losgegangen und der hat abgedrückt." "Japp!" "Japp?" "Japp!" Dieses verfluchte "Japp!" hing Mickelsson schon zum Hals heraus. Seine Hand zuckte zu seiner klobigen Dienstwaffe.

Die Tatwaffe, die Lundgren selbst im Sommerschlußverkauf erstanden hatte, danach in einem Anfall von Ich-könnte-mir-ja-weh-tun weggeworfen und vergessen hatte, und die danach in den Besitz eines sandlertötenden Mathegenies übergegangen war und danach im wahrsten Sinn des Wortes an einen Schläger abgetreten worden war, der sie wiederum am seinen geliebten Vater weitergereicht hatte, der sie unbedingt dem ursprünglichen Besitzer wiedergeben wollte, lag spöttisch glitzernd im Mondlicht.

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