Verkrampft krallen sich Karins Fäuste in die Bettdecke. Bis unter die Nase hat sie die Decke hochgezogen. Nur noch gerade die Nasenspitze und ihre kleinen, dunklen Augen sind zu sehen. Angespannt lauscht sie auf jedes noch so kleine Geräusch. Wie ein Scanner suchen ihre Augen das finstere Zimmer ab. – Da, da ist es wieder! Bumm, bumm, bumm, tönt es dumpf. Karin erschrickt und zieht die Bettdecke noch etwas höher. Da, schon wieder. Bumm, bumm, bumm. Rasend klopft Karins Herz. Ist ein Einbrecher im Haus, ein wildes Tier? Oder etwa gar ein Monster? Die Ungewissheit wird für Karin immer unerträglicher. "Vati, Vaaaatiiiii!" schreit sie so laut sie nur kann. Einen kurzen Augenblick später kracht die Zimmertüre auf, das Licht geht an und ein ziemlich aufgeschreckter Vater steht in Karins Zimmer. "Was ist los, Liebling? Was schreist du so?" fragt Vati besorgt. "Ich... ich habe Angst!" Stottert die Fünfjährige und klammert sich wie ein junges Äffchen an ihren Vater. "Na was ängstigt dich denn?" erkundigt sich ihr Vater liebevoll. "Ich glaube..." beginnt die Kleine ängstlich und schluckt dabei leer. "Ein Einbrecher ist im Haus oder vielleicht gar ein Monster!" "Ein Einbrecher?" doppelt Vati nach. "Wie kommst du denn darauf?" "Ich... ich hab' es ganz deutlich gehört!" gibt die Kleine Karin zur Antwort und vergräbt ihr Gesicht in Vatis Pyjama. "Was hast du gehört Karin?" "Ein seltsames, grausiges Geräusch!" erklärt Karin und zuckt plötzlich zusammen. - Bumm, bumm, bumm. "Da, da ist es wieder! Ich habe Angst!" schreit die Kleine und beginnt zu weinen. Nun hat Vati das Geräusch auch vernommen. Zärtlich streichelt er seiner verschreckten Tochter übers Haar und beruhigt sie. "Ich glaube ich weiss woher das Geräusch kommt. Aber eines kann ich dir jetzt schon versichern. Ein Einbrecher ist das ganz bestimmt nicht! Und an Monster glaube ich nicht! Du brauchst dich nicht länger zu ängstigen. Komm wir beide schauen nach!" Zuerst will Karin auf gar keinen Fall nachsehen, aber Vatis beruhigende Stimme kann sie mit der Zeit doch umstimmen. Der aus dem Schlaf aufgescheuchte Vater hebt sein kleines Mädchen hoch und plaziert es auf seinem Arm. Dann verlässt er mit ihr das Kinderzimmer. Nun klammert sich die Kleine noch fester an Vati und drückt ihre beiden, hübschen Augen fest zu. Dann gehen sie den Flur entlang die Treppe hinunter. Wie sie sich langsam der Küche nähern, wird das Geräusch immer lauter. Ein Schauder läuft über Karins kleinen Rücken. Vor Angst erwürgt sie fast ihren Vater. Nur mit Mühe kann Vati den eisernen Griff seiner Tochter etwas lockern. Gerade so, dass er wenigstens wieder einigermassen atmen kann. Nun stellt Vati das kleine Angsthäschen vorsichtig auf den Küchenboden und erklärt ihr: "Was du hier hörst, ist nur ein Fensterladen, welcher nicht richtig festgemacht wurde. Und weil draussen ein starker Wind bläst, schlägt der Fensterladen immer wieder an die Hauswand. Das haben wir gleich!" Vati öffnet das Fenster und genau in diesem Augenblick fegt ein kräftiger Windstoss in die Küche und zerzaust Karins langes, gewelltes Haar. Vati macht den Fensterladen fest und zieht dann das Küchenfenster wieder zu. "So das hätten wir!" sagt er mit stolzer Miene und reibt sich dabei die Hände. "Siehst du, kein Einbrecher und auch kein Monster! Lediglich eine kleine Unachtsamkeit von uns. Du hattest also ganz umsonst Angst!" Etwas verschämt streicht sich Karin die zerzausten Haare zurecht und erwidert verlegen: "Ganz umsonst war es wohl doch nicht!" "Wie bitte, ich verstehe nicht..." stammelt der verdutzte Vater. "Okay ich erklär es dir!" sagt die Neunmalkluge und stemmt ihre kleinen Fäuste in die Hüften. Dann beginnt sie mit ihrer Ausführung. "Sieh mal, wenn ich dich nicht gerufen hätte, dann hättest du mich ja auch nicht trösten können. Weil du mich aber getröstet hast, so war meine Angst nicht umsonst!" Nach dieser Darstellung strahlt klein Karin über das ganze Gesicht. "Das ist auch wieder wahr!" Platzt es aus Vater heraus und dabei beginnt er herzhaft zu lachen und drückt seinem kleinen Angsthasen einen dicken Kuss auf die Wange. Und nach einer Weile sagt er ein wenig nachdenklich: "Vielleicht ist es ganz gut, wenn wir ab und zu ein wenig Angst haben. Denn dann sind wir auf die Hilfe von jemand anderem angewiesen. Jemand der einen tröstet und hilft. So bestätigt sich die Liebe an einem anderen Menschen!" Nach diesen philosophischen Worten wendet sich der Vater wieder seinem Kinde zu. "Nun ist es aber höchste Zeit fürs Bett. Sonst sind wir morgen müde und zu nichts zu gebrauchen!" Mit einem kräftigen Ruck zieht er Karin zu sich hoch und trägt sie zurück ins Kinderzimmer. Nachdem Vati sein Angsthäschen zugedeckt hat, sprechen sie noch ein kurzes Gebet. Karin muss dem lieben Gott nämlich unbedingt erzählen, dass weder ein Einbrecher, noch ein Monster im Hause war. Sondern, dass es sich lediglich um einen nicht festgemachten Fensterladen gehandelt hatte, der ihr Angst einjagte. Und wie froh sie doch ist, dass ihr Vater sie trösten konnte.
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