Mit brummendem Schädel wachte der kleine Widder auf und blickte verwundert um sich. Er fühlte sich elend. Wo war er? Und wie war er eigentlich hierher gekommen? Erschöpft und noch nach Kräften ringend, versuchte er sich zu erinnern. Seinem Brummschädel nach zu urteilen, war ihm das zweifelhafte Vergnügen zuteil geworden, nähere Bekanntschaft mit einem Baum gemacht zu haben.
Im wilden Herumtollen hatte er wohl die Orientierung verloren und sich verlaufen.
O je, die Eltern hatten wieder einmal Recht behalten. Stets trugen sie ihm auf, sich nicht zu weit von zu Hause zu entfernen und nicht so ungestüm zu spielen. Aber er rebellierte immer und wollte beweisen, was er doch schon für ein großer Junge war. "Wer nicht hören will, muss fühlen, Schneelöckchen", hörte er seine Mutter sagen. Jetzt konnte er seinen Mut endlich unter Beweis stellen. Voll Tatendrang machte er sich auf den Weg. Schließlich wollte er noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein. Seine Eltern würden mächtig stolz auf ihn sein. Aus der Ferne sah er einen Hof, der seinem Zuhause stark ähnelte. Freudig erregt sprang er drauflos, um seine Famile zu überraschen. "War doch ganz einfach, und schnell ist es auch noch gegangen", dachte er voll Stolz.
Traurig musste er feststellen, dass er sich getäuscht hatte. Entmutigt und erschöpft ließ er sich ins Gras fallen. Langsam wurde es ihm doch unheimlich. Und wenn er gar nicht mehr nach Hause finden würde? Er fühlte sich einsam und verloren. Traurig dachte er an seine Eltern. Wahrscheinlich würde er sie nie wieder sehen. Ein nicht mehr endender Tränenfluss schoss aus seinen Augen und benetzte sein Fell. Erst die freundliche Stimme eines Igels riss ihn aus seiner Lethargie. Dieser bot ihm sofort seine Hilfe an, als er von der verzweifelten Lage des Widders gehört hatte. Mit dem
Einverständnis des hilfsbereiten Gutsbesitzers hatte Schneelöckchen wenigstens einen Schlafplatz und ein sicheres Dach überm Kopf gefunden. Die Tage vergingen. Der kleine Widderjunge wurde immer trauriger. Er kannte sich selbst nicht mehr. Still und trostlos schleppte er sich dahin. Nicht einmal das Igelpaar, mit denen er sich angefreundet hatte, vermochte ihn aufzuheitern. Es war
hoffnungslos. Er musste sich damit abfinden, dass er kein Zuhause mehr hatte und allein auf sich gestellt war. Gedankenverloren stand der kleine Widder am Weiher und betrachtete sein Spiegelbild. Die Erinnerung daran, wie er zu seinem außergewöhnlichen Namen gekommen war, trieb ihm die Tränen in die Augen. Als seine Eltern sahen, was für ein einzigartiges weißes und besonders lockiges Fell er hatte, entschieden sie sich spontan für "Schneelöckchen". Wie der erste reine Schnee, der vom Himmel fällt und noch kaum die Erde berührt hat, pflegten sie immer zu sagen.
Ach ja, das waren noch Zeiten. Damals war seine Welt noch in Ordnung. Hier auf dem Hof wurde er von jedermann nur noch "Löckchen" gerufen. Noch immer stand er am Weiher. Er hörte Stimmen, die riefen "Schneelöckchen, Schneelöckchen", und fühlte sich in einen Traum versetzt.
Er schloss die Augen und die Stimmen schienen immer näher zu kommen. Erneut blickte er ins Wasser und konnte nicht glauben, was er sah. Es musste sich um ein Trugbild handeln. Ein Streich seiner Phantasie. Eine Wunschvorstellung. Blitzschnell drehte er sich um und hatte tatsächlich seine Eltern vor sich stehen. Ihre Freude war so groß, dass sie alle drei herumsprangen, jauchzten und
tanzten. Die Freudentränen flossen in Strömen. Schneelöckchen versprach seinen Eltern voll Dankbarkeit in Zukunft ein gehorsamer und braver Junge zu sein. Glücklich traten sie den
Nachhauseweg an.
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