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"...aber dann hat er doch wieder zugeschlagen"
von Sabrina Ortmann

Das Potsdamer Frauenhaus bietet Frauen und Kindern Schutz vor Mißhandlungen

PNN-Reportage

Es ist sehr ruhig in der Küche. Das gemeinsame Frühstück ist beendet, die Frauen arbeiten, erledigen Ämtergänge, einige schlafen noch. Nur Katrin M (Name von der Red. geändert) sitzt noch am Küchentisch mit der schwarz-weißen Wachsdecke. Neben dem Herd gurgelt die Kaffeemaschine; das einzige Geräusch an diesem Morgen im Potsdamer Frauenhaus.

Katrin M. kramt ihre Zigaretten aus der Handtasche - und in ihrer Vergangenheit. An eine Szene aus ihrer Ehe muß sie wieder und wieder denken: "Da hat er mir den Arm dermaßen stark verdreht, daß ich am Boden lag und nicht mehr hochkam", erzählt die Potsdamerin. Sie wirkt überraschend ruhig, als sie ihr schreckliches Erlebnis schildert. Langsam rührt sie den Zucker in ihrem Kaffee um. "Ich habe laut geschrien, da kam meine Schwiegermutter, die mit im Haus wohnt, und hat gesagt: Schrei doch nicht so laut, was sollen denn die Leute denken."

Seit August 1995 lebt die 40jährige Mutter von drei Kindern mit rund zwanzig anderen Frauen und Kindern in der einzigen Potsdamer Frauenschutzwohnung. Die hundert Quadratmeter sind ein Zufluchtsort, der Frauen und Kindern in einer akuten Notsituation für bis zu 17 Monaten Schutz und Sicherheit vor weiterer Mißhandlung bietet. Die Aufnahme ist freiwillig und anonym, Männer haben keinen Zutritt.
Drei Teilzeit-Sozialarbeiterinnen und eine Therapeutin helfen den verzweifelten Frauen, die oft jahrelang unter körperlichen und seelischen Mißhandlungen durch ihre Ehemänner gelitten haben, wieder auf die eigenen Beine. Manche Frauen kommen von sich aus, andere werden nach einer akuten Auseinandersetzung mit ihrem Mann von der Polizei hierher gebracht. Viele Frauen würden sich aber nicht trauen, weil sie Angst vor den Konsequenzen hätten, sich schämten und ihre Mißhandlungen lieber verschwiegen, berichtet die Sozialarbeiterin Monika Kirchner. Oft dauere es Jahre, bis die Frauen ihre Männer verließen: "Sieben, acht, auch zehn Jahre sind da keine Seltenheit."
Katrin M. zögerte lange aus Angst, ihre Kinder zurückzulassen und wieder ganz von vorne anfangen zu müssen. Aber auch die Drohungen der Männer halten viele von einer Trennung ab.

"Er hat oft gesagt, wenn du mich verläßt, dann bringe ich dich um. Ich hatte keinen Zweifel daran, daß er dazu fähig gewesen wäre", erinnert sich Katrin M. "Erst nach zehn Jahren habe ich mich das erste Mal gefragt: wie lange willst du das eigentlich noch mitmachen?" erzählt sie und zündet sich eine Zigarette an. Das war auch die Zeit, in der sie das erste Mal zurückschlug: "Ich habe ihn nur ganz leicht geschlagen", sagt sie. "Als Frau hat man doch weniger Kraft als der Mann. Er hat dann die Hand gehoben, und ich habe richtig gesehen, wie er zögert." Sie spielt nervös mit dem Feuerzeug in ihrer Hand. "Aber dann hat er doch wieder zugeschlagen. Da gab es für mich nur noch eins: ins Auto und weg. Er hat mich mit dem Wagen verfolgt, aber ich konnte ihn abschütteln." Die erste Nacht verbrachte sie bei ihrer Schwester, die am nächsten Morgen für sie im Frauenhaus anrief.

Für die Frauen, die aus Gewaltbeziehungen kommen, sei der Gang ins Frauenhaus oft ein Bruch mit ihrem alten Leben, berichtet Monika Kirchner: "Die Frauen beginnen hier, ihre Geschichte aufzuarbeiten. Sie sind oft körperlich und seelisch total zerstört. Wir helfen ihnen, wieder stark zu werden." Diese Erfahrung hat auch Katrin M. während ihres Aufenthaltes im Frauenhaus gemacht: Von dem Moment an, wo ich hier war, habe ich wieder mächtig Selbstbewußtsein gewonnen. Zuerst war ich echt fix und fertig, ich hatte echt überhaupt keine Kraft - aber dann konntest du richtig zugucken, wie ich mich veränderte." Die Frauen können in der Regel solange in der Wohnung bleiben, bis sich eine neue Perspektive für sie abzeichnet, das heißt, bis sie genug Selbstvertrauen, eine eigene Wohnung und vielleicht sogar einen Arbeitsplatz gefunden haben. Da dies meist viel Zeit braucht, sind die wenigen Plätze oft sehr lange blockiert. Trotzdem nimmt das Haus jede Frau auf, die mißhandelt oder bedroht wird. Bei einem Aufnahmegespräch versuchen die Sozialarbeiterinnen zunächst herauszufinden, was mit der Frau los ist. Zumindest für eine Nacht wird jede Frau aufgenommen. Und obwohl das Potsdamer Frauenhaus mit anderen Frauenhäusern in Kontakt steht, gerät dieser Anspruch oft zum Kraftakt. Im Schnitt nimmt das Haus im Jahr 40 Frauen auf; jede neue Bewohnerin bringt in der Regel ein bis vier Kinder mit. "Manchmal wissen wir wirklich nicht, wo wir noch Matratzen und Matten herauszerren sollen.
Eigentlich haben wir hier viel zu wenig Platz", sagt Monika Kirchner. "Wir nehmen ja auch Betroffene aus der Region Potsdam-Mittelmark auf. Ein Drittel kommt aus dem ländlichen Raum."

Zur Gewalt kam es in der Ehe von Katrin M. weil ihr Mann eifersüchtig war. "Krankhaft eifersüchtig war er. Mich mußte nur einer ansehen, dann hatte ich schon eine Affäre mit ihm." Und lachend fügt sie hinzu: "Ohne daß ich es wußte." Früher konnte sie darüber nicht lachen. Am Anfang habe er sie nur sehr selten geschlagen, etwa einmal im Jahr. "Das steigerte sich aber bald. Am Ende verprügelte er mich regelmäßig." Noch schlimmer als die körperliche Gewalt empfand Katrin M. die dauernde Kontrolle und die Erniedrigungen: Als sie an einer Tankstelle arbeitete, kam ihr Mann regelmäßig vorbei. "Er hat zu mir gesagt: Wehe wenn du ein Wort mehr als nötig mit den Männern redest!" Bald beschwerten sich die Kunden über die Pöbeleien von Katrins Mann -und sie verlor ihren Job. Den körperlichen Mißhandlungen seien meist Beschimpfungen vorausgegangen: "Er hat mich sehr oft beschimpft", Katrin M. zögert, sie blickt auf die Tischdecke. "Als faules Stück zum Beispiel." Nach insgesamt drei Schwangerschaften sei sie ein bißchen dicker gewesen. "Da hat er dann gesagt: Du fettes Schwein, guck dich mal an, wie du aussiehst."

Obwohl das Frauenhaus seit langem plant, eine zweite Wohnung zu mieten, wird sich die Raumnot im Frauenhaus in Zukunft voraussichtlich eher noch verschlimmern, da die Einrichtung als "freiwillige Leistung" bei der Planung des neuen Haushaltsplans zu Disposition steht. "Freiwillige Leistung hört sich an wie Luxus, wie etwas, das nicht wichtig ist", ärgert sich die Sozialarbeiterin Heiderose Gerber. Präventivarbeit, wie zum Beispiel eine starke Thematisierung der Problematik in der Öffentlichkeit oder Kurse über gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien könnten schon jetzt nicht finanziert werden. "Das einzige was wir tun können, ist hinterher die mißhandelten Frauen zu versorgen und sie seelisch wieder aufzubauen", bedauert Monika Kirchner.
Katrin M. hat durch die Unterstützung im Frauenhaus wieder Mut gefunden, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen. Seit Oktober 1996 arbeitet sie wieder. "Ich will nie wieder von einem Mann abhängig sein. Meine Selbständigkeit gebe ich nicht mehr auf", sagt sie bestimmt.

Besucht doch ihre Homepage.

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