Wie an vielen anderen Sonntagnachmittagen fahren Sabrina und ihre Eltern auch heute aufs Land zu Opa. Schon die ganze Woche freut sich Sabrina auf diesen Tag. Sie mag Opa über alles. Vor allem seine ulkigen Spässe liebt sie sehr. Kaum hat Vati das Auto auf dem Kiesweg vor Opas Haus geparkt, springt die kleine Sabrina aus dem Auto und saust auf das Haus zu. "Opa, Opa, wo bist du?" ruft sie immer wieder während sie schnur-stracks in die Stube rennt. Normalerweise sitzt Opa immer um diese Zeit in seinem grossen, uralten Ledersessel, und liest die Sonntagszeitung. Aber heute sitzt er nicht dort. "Merkwürdig", denkt sich Sabrina. "Vielleicht will Opa verstecken spielen wie beim letzten Besuch?" Sie dreht sich auf ihren kleinen Absätzen um, schaut zum vom vielen Sitzen abgenutzten Sofa, aber auch da ist kein Opa. "Opa, wo bist duuuuu???" ruft sie erneut. "Hier, in der Küche!" krächzt eine leise Stimme. Augenblicklich rennt Sabrina in die Küche. "Da bist du ja, Opa" ruft sie erleichtert, umarmt ihren Grossvater herzhaft und drückt ihm einen dollen Kuss auf die Wange. Erst jetzt bemerkt sie, dass Opa zusammen-gekauert auf dem Boden vor dem geöffneten Backofen sitzt. "Aber aber..." stottert die Kleine. "Warum sitzt du hier auf dem Boden, noch dazu vor dem offenen Backofen?" Wie ein Häufchen Elend sitzt der alte Mann vor dem Herd und stiert mit glasigen Augen in die Backröhre. Klein Sabrina bückt sich um zu sehen, was da wohl im Herd backt. Aber Sabrinas funkelnde Augen erblicken einen gähnend leeren Backofen. Lediglich die vor Hitze rot gefärbten Heizstäbe sind zu erkennen. Erstaunt wandert ihr fragender Blick zu Opa. Noch bevor Sabrina ihrem Grossvater weitere Fragen stellen kann, treten nun auch Sabrinas Eltern in die Küche. Ebenso erstaunt wie Sabrina, ob des seltsam grossväter-lichen Verhaltens, stellen Vater und Mutter fast gleichzeitig die selbe Frage: " Aber Grossvater, was machst du denn da auf dem Boden?" "Mich friert so, deshalb habe ich mich vor die Heizung gesetzt," erklärt der alte Mann mit zittrig, heiserer Stimme. Dabei wendet er seinen Blick keinen Augenblick vom Herd weg. "Vater," entgegnet Sabrinas Mutter entsetzt. "Das ist doch nicht die Heizung vor der du sitzt. Das ist der Backofen den du angemacht hast!" "Nicht die Heizung?" fragt Grossvater geistesabwesend und sieht seine hübsche Tochter entgeistert an. Sabrina guckt abwechselnd vom immer noch vor Kälte zitternden Grossvater zu ihrer Mutter. Sabrinas Mutter meint besorgt zu ihrem betagten Vater: "Komm Opa, wir bringen dich ins Wohnzimmer, dort kannst du es dir auf dem Sofa bequem machen und ich bereite dir einen wärmenden Tee zu.". Während Sabrinas Vater Opa vom Boden aufhilft und ihn vorsichtig in die Stube bringt, stellt die Mutter zuerst den schon glühenden Herd ab. Dann sucht sie nach einer Pfanne, in der sie Wasser für Opas Tee aufkochen kann. Sie braucht einige Zeit, bis sie die Pfanne endlich im Brotkasten entdeckt. Kopfschüttelnd macht sie sich daran das Teewasser aufzu-kochen. Mittlerweile haben Sabrina und ihr Vater Opa aufs Sofa gebettet und ihn in warme Decken eingehüllt. Doch die ganze Zeit über brummelt Opa unverständliches Zeug. Auch fragt er immer wieder nach Grossmutter. Obwohl sie doch schon seit Jahren tot ist. Sabrina macht dies alles Angst und kuschelt sich deshalb an Vati. Dann fragt sie ihren Vater leise: "Warum plappert Opa so wirres Zeug?" Noch bevor ihr Vater antworten kann, tritt die Mutter mit einer Tasse angenehm duftendem Tee ins Wohnzimmer. Vater nutzt die Gelegenheit und geht mit Sabrina in die Küche. Dort erklärt er seiner kleinen Tochter: "Weisst du Sabrina, Opa ist schon sehr, sehr alt. Und bei alten Leuten da kommt es schon vor, dass sie Dinge vergessen, die sie am Vortag noch gewusst haben. Das Gedächtnis lässt eben mit der Zeit nach und dann erzählen solche Menschen die selt-samsten Sachen. Auch tun sie die absonderlichsten Dinge." "Solche Dinge wie vor dem Backofen sitzen?" fragt Sabrina und runzelt dabei ihre kleine Stirn. "Ja genau solche!" Bestätigt ihr Vater. Nach einer längeren Pause heitert sich Sabrinas Gesicht wieder auf und sie sagt mit grosser Überzeugung. "Aber dagegen gibt es doch sicher eine Medi-zin!?" Nun runzelt Papa die Stirn und mit einem Seufzer in der Stimme erklärt er Sabrina: "Leider gibt es noch keine Medizin dagegen. Wir haben schon mit einem Arzt darüber gesprochen, weil wir schon seit einigen Wochen beobachtet haben, wie sich Opas Zustand immer mehr verschlechtert hat. Opa braucht nun jemanden der ihn pflegt und umsorgt." "Aber Frau Müller schaut doch nach Opa!" fällt ihm Sabrina ins Wort. "Das stimmt!" entgegnet Vati, "aber Frau Müller kann nicht rund um die Uhr auf Opa auf-passen. Opa braucht jetzt jemanden der den ganzen Tag über und auch nachts um ihn herum ist." Sabrina überlegt eine Weile und meint dann mit einem Strahlen auf dem Gesicht: "Gut dann sorgen eben wir für Opa!" "Aber Kleines" seufzt Vater, der eigentlich schon mit diesem Gedanken seiner Tochter gerechnet hat. Mit stichhaltigen Argumenten versucht er seinem Mädchen diesen Gedanken wieder aus dem Kopf zu schlagen. "Hör mal, wir wohnen viel zu weit weg und unsere Wohnung ist zu klein um Opa auch noch aufzunehmen. Zudem arbeitet Mutti den halben Tag auswärts und ich den ganzen. Und du, du bist tagsüber in der Schule und könntest dich also auch nicht um Opa kümmern!" Traurig starrt Sabrina vor sich hin und nach einer Weile fragt sie bedrückt. "Muss er jetzt ins Altersheim?" "Nicht gerade sofort, Liebling. Aber in der nächsten Zeit sicher. Opa braucht jetzt Menschen um sich herum, die ihn gut pflegen können und immer da sind, wenn er etwas braucht. Es kann nämlich auch sein, dass Opa krank wird und dann ist es sehr wichtig, dass Menschen da sind, die wissen was zu tun ist. Verstehst du das Sabrina?" Sabrina schneidet eine Grimasse weil sie immer noch Mühe mit diesem Ge-danken hat. Doch wird ihr zunehmend klarer, wie wichtig es ist, Opa in guten Händen zu wissen. Vati erklärt ihr, dass das Altenheim im selben Dorf steht indem sie zu Hause sind, und sie dürfe Opa so oft besuchen wie sie will. Obwohl Sabrina immer noch Mühe damit hat Opa weggeben zu müssen, macht ihr Vatis Versprechen doch das Herz wieder etwas leichter.
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